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Tausche Anzug gegen Wanderhose 2.0

Aktualisiert: vor 4 Stunden


Aufbruch – Wieder unterwegs



Vor meiner Haustür beginnt der Weg – wie damals. Und doch ist alles anders.


Zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit ich mit klopfendem Herzen und einem Rucksack voller Fragen den Jakobsweg gegangen bin. Heute stehe ich wieder an derselben Stelle. Der Rucksack ist erneut gepackt – vertraut, aber leichter. Vielleicht, weil ich diesmal weniger suche. Vielleicht, weil ich schon weiß, dass der Weg selbst die Antworten bringt.


Bunte Blätter säumen den Weg vor meiner Haustüre, als wollten sie mich verabschieden. In mir eine tiefe Dankbarkeit:

Die wichtigen Projekte mit meinen Kunden sind abgeschlossen, meine Ausbildung beendet, und neue Engagements beginnen erst im November. Was für ein Geschenk. Das Universum scheint mit allen Kräften mitzuwirken, um mir diese Auszeit zu schenken – Raum zum Atmen, Raum zur Reflexion.


Das Packen ging schnell. Routine hilft. Vertrauen auch.

Der Weg wird geben, was ich brauche.

Und doch schwingt da etwas mit – keine konkrete Erwartung, sondern das stille Wissen, dass es diesmal anders wird. Tiefer vielleicht. Weiter. Offener.


Am Flughafen dann ein vertrautes Bild: derselbe Schalter wie vor wenigen Tagen, damals im Anzug, heute in Wanderkleidung.

Ein „Servus“ statt eines respektvollen „Grüß Gott“. Ein flüchtiger, prüfender Blick. Erst die Vielfliegerkarte öffnet Tore;)


Ich lächle.

Wie passend.


Meine Big Five for Life haben sich in den letzten zweieinhalb Jahren gefestigt. Mein deutsches WIRKE und sein englisches Echo IMPACT begleiten mich – wie ein innerer Kompass, der mich daran erinnert, wer ich bin und wofür ich gehe.


Mal sehen, was dieser Weg diesmal offenbart.

Vielleicht kein Suchen mehr. Vielleicht ein leises Werden.


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Etappe 1 – Von Porto nach Vila do Conde

Dem Meer entlang – ein erster Tag in Bewegung


Gestern Abend bin ich noch bei der Kathedrale in Porto gestartet, symbolisch, um den Weg bewusst zu beginnen.

Heute Früh ging es dann richtig los – ab Foz do Douro, dort, wo der Fluss ins Meer mündet.

Ein schöner Ort, um den Camino zu starten. Der erste Tag war mit knapp dreißig Kilometern dennoch lang, aber durch die Nähe zum Meer gut zu gehen.

Die Sonne begleitet mich den ganzen Tag, der ganze Abschnitt unter blauem Himmel.

Kleine Fischerhütten liegen entlang des Weges, Boote warten mit vorbereiteten Netzen und Keschern auf ihre nächste Ausfahrt.

Das Leben hier folgt seinem eigenen Takt – ruhig, beständig, ehrlich.

Ich begegne einigen Pilgern, doch die Kontaktfreudigkeit hält sich noch in Grenzen.

Jeder scheint noch in seinem eigenen Rhythmus unterwegs zu sein – zwischen Neugier, Müdigkeit und der Frage, was ihn hierhergeführt hat.

Ich lasse das so stehen. Auch in der Stille darf der Weg beginnen.


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Etappe 2 – Von Vila do Conde nach Esposende

Same same but different


Noch vor der Morgenröte breche ich auf. Der Himmel färbt sich zartrosa über Vila do Conde, und während die Stadt langsam erwacht, finde ich meinen Weg zurück ans Meer.

Nach einer Stunde – Kaffee und Tapas zum Frühstück. Der Tag beginnt ruhig, mit entspanntem, zufriedenem Blick aufs Meer.


Kilometerweit zieht sich der Weg entlang leerer Strände. Nur Sand, Dünen, vereinzelte Büsche. Die Sonne im Rücken, das Rauschen der Wellen zur Linken. Manchmal sehe ich Bauern bei der Seegrasernte – kleine grüne Punkte inmitten der Weite.


Doch nach einem Drittel des Weges verändert sich etwas. Die Holzstege, die anfangs Halt gaben, werden monoton. Gleichmäßig. Eng.

Ich spüre, wie sich mein Körper meldet – zuerst leise, dann deutlich.

Keine Blasen war gestern. Heute sind sie wieder da, als Erinnerung daran, dass der Camino auch durch den Körper geht.

Mit jedem Schritt steigen Erinnerungen an den ersten Weg auf. Gedanken, die ich längst abgeschlossen glaubte, melden sich zurück – same same but different, wie die Chinesen sagen würden.

Vielleicht darf ich sie einfach noch einmal neu denken.


Kurz vor Esposende führt der Weg am Fluss entlang. Der Nationalpark breitet sich still und unberührt aus – ein sanftes Gegengewicht zu den monotonen Kilometern davor.


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Etappe 3 – Von Esposende nach Viana do Castelo

Ein Tag der kleinen Begegnungen


Heute war es an der Zeit, sich vom Meer zu verabschieden – zumindest für diesen Tag. Der Weg führte durchs Landesinnere, durch kleine Dörfer und schattige Wälder, ein Stück entlang eines Flusses, den man über eine alte Steinbrücke überqueren musste.


Erstaunlich, wie schnell man vergisst. Nur die schönen Momente bleiben im Gedächtnis – bis sich der Körper wieder meldet: Die Blasen wachsen, die Hüften ziehen, und mein linker Fuß meint, er müsse jetzt in der Kniekehle verrückt spielen.

Trotzdem geht es weiter. Schritt für Schritt. Etwas langsamer eben;)


Zwischendurch entstehen nette Gespräche – nichts Großes, aber eine nette Abwechslung.


In einem kleinen Café stehe ich plötzlich ohne passendes Kleingeld da. Mein letztes Bargeld habe ich gestern beim Abendessen ausgegeben – nur noch ein Hunderter im Rucksack. Blöd, wenn Kaffee und Orangensaft 2,20 Euro kosten. Der Wirt winkt lächelnd ab: „Lass es. Zünd mir in Santiago eine Kerze an.“


Am späten Nachmittag erreiche ich Viana do Castelo – müde, dankbar, ein Stück weiter auf diesem stillen Weg nach innen.


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Etappe 4 – Von Viana do Castelo nach Caminha

Die Weisheit des Wassers


Der letzte Tag in Portugal. Ein langer Fußmarsch durch kleine Ortschaften und schattige Waldstücke – eine Wohltat für die Füße. Die Zerrung im linken Fuß war tagsüber kaum zu spüren, und so ließ sich der Weg leicht und ruhig gehen.


Etwa auf halber Strecke erreiche ich einen besonderen Ort. Schon von Weitem ist Orgelmusik zu hören.

Ein altes, kleines Kloster direkt am Fluss, davor eine steinerne Brücke und ein liebevoll gestalteter Gastgarten – der perfekte Platz für eine Kaffeepause und um die besondere Energie dieses Ortes wirken zu lassen.


Beim Blick aufs Wasser kommen mir die Gedanken vom ersten Camino wieder in den Sinn – damals, als das Element Wasser für Fluss, Loslassen und Bewegung stand.


Heute zeigt es mir einen neuen Aspekt:

Wasser verändert seinen Zustand nicht aus eigenem Antrieb.

Es fließt, gefriert oder verdampft nur, wenn äußere Bedingungen es dazu bringen.

Das Wasser entscheidet nicht, wann es sich verwandelt. Es passt sich an – und bleibt doch immer Wasser.

Diese Erkenntnis berührt mich: Wir können nicht immer bestimmen, welchen Umständen wir ausgesetzt sind.

Aber wir können wählen, wie wir ihnen begegnen. Vielleicht liegt genau darin die Haltung, die wir vom Wasser lernen können –

nicht im willentlichen Anpassen, sondern in der stillen Bereitschaft, zu sein, was wir sind, auch wenn die Umgebung sich verändert.


Am Abend erreiche ich Caminha – den letzten Ort auf portugiesischem Boden. Morgen wartet die Überfahrt nach Spanien.

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Camino Tag 4 – Abschied von Portugal

Ein leiser Rückblick


Heute ist meine letzte Nacht in Portugal.

Morgen führt mich der Camino weiter nach Spanien – und damit endet ein Abschnitt, der leiser war, als ich erwartet hatte.

Wenn ich die vergangenen fünf Tage Revue passieren lasse, tauchen viele Bilder auf:

Porto – die Kathedrale, der Fluss, das Leben in den Gassen, der Geruch von gutem Essen.

Ich denke an die Straßenmusikerin, die mich mit dem Lied „Creep“ willkommen hieß.

Damals wusste ich nicht, welche Bedeutung es haben würde.

Jetzt, am Ende dieser Etappe, klingt es nach – wie ein stiller Faden, der alles verbindet.


Der Weg war schön – aber auch anstrengend.

Blasen, Schmerzen, Stille. So viel Stille.

Die Begegnungen blieben flüchtig, die Gespräche oberflächlich, versickerten oft einfach wieder.

Portugal ist für mich ein stilles, fast stummes Land.


Ein Perspektivenwechsel…


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Und vielleicht war genau das seine Botschaft:

Dass nicht jedes Wort gesprochen, nicht jede Begegnung vertieft werden muss.

Manchmal darf der Weg einfach still sein – damit man sich selbst wieder hört.


Etappe 5 – Ankunft in Spanien

Wenn der Weg dich anhält


Manchmal schreibt der Körper seine eigenen Kapitel.

In der Nacht meldet sich die Blase zwischen den Zehen zurück – heftig, pochend, schlaflos. Am Morgen ist klar: Ich muss den heutigen Weg aussetzen. Mit dem Taxi überspringe ich die Etappe und erreiche Baiona früher als geplant.

Dort schlafe ich erst einmal tief und fest, versorge die Wunde und komme langsam wieder zu Kräften.


Am Nachmittag spaziere ich durch die Stadt – noch vorsichtig, aber dankbar, wieder in Bewegung zu sein. Die Burg am Hafen liegt im Nebel, trotz vereinzelter Sonnenstrahlen die durchdringen bleibt es kühl, und der Wind trägt feuchte Schwaden bis in die Gassen.

Als ich erfahre, dass Kolumbus hier nach seiner Rückkehr aus Amerika zuerst anlegte, lächle ich. Auch meine Reise beginnt hier neu.

Der Nebel lichtet sich, und ich mache mich auf den Weg zur Statue am Berg. Der Aufstieg führt entlang eines Kreuzwegs – still, eindrucksvoll, voller Symbolik. Ich bleibe oft stehen, denke über den Leidensweg Christi nach und darüber, was er mit unserer eigenen Heldenreise zu tun hat: mit den Aufs und Abs, den Prüfungen, dem Loslassen.


Oben, inmitten der Felsen, komme ich zur Ruhe.

In der Meditation spüre ich: Es war kein Zufall, dass ich gezwungen war, genau hier zu pausieren – an der Schwelle zwischen zwei Ländern, zwei Abschnitten, zwei Zuständen.


Die Nebel lichten sich.

Und mit ihnen mein Blick.

Ein Neubeginn in Spanien.

Buen Camino.


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Etappe 6 – Von Baiona nach Vigo

Ein Tag im Rhythmus des Weges


Mit etwas über 26 Kilometern war es heute ein langer, aber schöner Camino-Tag – durch kleine Dörfer, dichte Wälder und immer wieder über Hügel, die den Blick weit werden ließen.

Das ständige Auf und Ab spürt man in den Beinen, doch die Gedanken fließen ruhig dahin – getragen vom Rhythmus des Gehens.


Am Nachmittag endlich ein kleines, unscheinbares Café – das erste seit dem Morgen. Die ersehnte Pause, ein Kaffee, ein Stück Routine mitten im Unterwegssein. Dort traf ich zwei Damen – eine aus Schweden, die andere aus Dänemark. Die ersten Gespräche über Intuition, Philosophie und den Sinn des Gehens. Wie schön, wenn Begegnungen einfach entstehen. Wir waren so vertieft, dass wir irgendwann den falschen Pfeilen folgten – ein paar Extra-Kilometer als Zugabe.

Doch vielleicht war auch das kein Versehen, sondern einfach ein weiterer kleiner Umweg des Lebens, der zu schönen Gesprächen führte.


Am Abend erreiche ich Vigo – müde, zufrieden und dankbar für diese stillen, unerwarteten Momente, die den Weg so besonders machen.


Wie heißt es so schön – Umwege erhöhen die Ortskenntnis


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Etappe 7 – Von Vigo nach Pontevedra

Wenn Pläne sich weiterentwickeln


Eigentlich war für heute nur eine kurze Etappe geplant.

Doch da mich meine Füße gut getragen haben und der Tag so herrlich begann, habe ich spontan beschlossen, weiterzugehen – zehn Kilometer zusätzlich.

Die Strecke führte lange über einen Bergrücken, mit Blick auf die Bucht, zurück nach Vigo und auf die imposante Schrägseilbrücke.


Ein Tag voller Weite, Sonne und Leichtigkeit – ein Camino-Tag, wie man ihn sich wünscht.


Nur eines hatte ich nicht bedacht: Je weiter ich ging, desto weniger Unterkünfte gab es.

Und so endete dieser kraftvolle Tag ganz pragmatisch – mit einer Busfahrt nach Pontevedra.

Manchmal darf man den Camino eben auch im Sitzen genießen. 😉


Für die nächsten Tage ist Dauerregen angesagt. Ich hoffe, der Wetterbericht ist diesmal nicht ganz so zuverlässig wie sonst.


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Und hier der Link zu meinem Buch www.Tausche-Anzug-gegen-Wanderhose.com


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